Diagnose und Therapie

Autismus: Diagnose und Therapie

Eine gesicherte Diagnose ist vor allem wichtig, um frühzeitig Unterstützung für autistische Kinder und spezifische Hilfen zu erhalten. Kindern können Verhaltenstherapien helfen, im Leben besser zurechtzukommen; Ausgleichshilfen erleichtern den Schulbesuch. Und für Eltern gibt es Elterntrainings, in denen sie lernen, angemessen auf ihre Kinder zu reagieren.

Inhaltsverzeichnis // Lesedauer: ca. 3 min

Erster Schritt der Diagnostik: Vorstellung beim Kinder- und Jugendarzt

Im Kindes- und Jugendalter sind Kinder- und Jugendärzte die erste Anlaufstelle. Eltern, die entsprechende Besonderheiten bei ihrem Kind bemerken, sollten ihren Arzt darüber informieren, z. B. bei einer Vorsorgeuntersuchung. Der Arzt kann dann eine orientierende Einschätzung vornehmen und Sie ggf. zu einem Spezialisten überweisen.

Zweiter Schritt: Umfassende Diagnostik

Der nächste Schritt besteht in der Vorstellung bei einem Kinder- und Jugendpsychiater oder einem spezialisierten Zentrum, z. B. ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) oder eine Autismus-Ambulanz. Dort werden dann umfassende Untersuchungen mit dem Ziel einer gesicherten Diagnosestellung durchgeführt. Die Diagnose ist ein zeitintensiver und differenzierter Prozess. Dafür benötigen Mediziner und Psychiater zunächst Angaben zur Vorgeschichte. Bei Kindern und Jugendlichen folgt dann:
  • ein standardisiertes Interview mit den Eltern – genannt ADI-R (= Autism Diagnostic Interview – Revised), das mit rund 90 Fragen autismusspezifische Besonderheiten erfasst und abklärt. Es wird ergänzt durch

  • ein standardisiertes Beobachtungsinterview mit dem Kind, das in Spielform angelegt ist – genannt ADOS (=Autisms Diagnostic Observation Schedule). Dabei werden Situationen durchgespielt, die das Sozialverhalten im Umgang mit anderen Menschen deutlich machen (z. B. bei einer Geburtstagsfeier). Je nach Alter sowie kognitiver und sprachlicher Entwicklung des Kindes können vier unterschiedliche Module eingesetzt werden, darunter auch eines für Kinder, die nicht sprechen.

Vor allem bei Verdacht auf Asperger-Syndrom werden häufig auch verwandte Störungen, wie z. B. ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) oder Zwangsstörungen, abgeklärt.

Autismus: Möglichkeiten der Therapie

Nach derzeitigem Wissensstand ist es nicht möglich, Autismus „verschwinden“ zu lassen oder „wegzutherapieren“ – und es gibt auch kein Medikament, mit dem die Autismus-Kernsymptome behandelt werden könnten. Durch therapeutische und pädagogische Förderung sind aber viele positive Veränderungen erreichbar. Unterstützende Maßnahmen können Selbstständigkeit, soziale Kompetenzen und Lebenszufriedenheit nachhaltig verbessern. Dazu gehören vor allem:

  • autismusspezifische Therapie,

  • Psychotherapie,

  • Ergotherapie.

Die Behandlung kann entweder in einem Autismus-Therapieinstitut oder in einer psychotherapeutischen und / oder ergotherapeutischen Praxis durchgeführt werden. Sie umfasst ganz unterschiedliche Elemente und wird individuell auf Alter, Lebenssituation, kognitive und sprachliche Fähigkeiten abgestimmt.

Selbsthilfegruppen

Ein weiterer wichtiger Ansatz ist die Selbsthilfearbeit. Der Austausch mit anderen autistischen Menschen bietet Möglichkeiten, um sich gegenseitig zu unterstützen und von den Erfahrungen anderer Menschen in ähnlichen Situationen zu profitieren. Selbsthilfegruppen für Autisten sowie für deren Eltern und Familien können bei den regionalen Autismusverbänden erfragt werden.

Adressen gibt es unter: www.autismus.de

Was leisten Therapien?

In der Therapie geht es darum,

  • die oft belastende Symptomatik zu lindern und / oder bestehende Begleiterkrankungen zu behandeln,

  • Kommunikation, Spielverhalten und Selbstständigkeit zu fördern,

  • soziale Kompetenzen zu verbessern, um den Umgang mit anderen Menschen zu erleichtern,
  • Bewältigungsstrategien für die eigenen Schwierigkeiten zu erlernen,
  • mit den eigenen Besonderheiten, den ganz individuellen Stärken und Schwierigkeiten besser umgehen zu können,
  • Unterstützung bei den alltäglichen Herausforderungen sicherzustellen,
  • eine berufliche Nische zu finden, bei der die eigenen Stärken umfänglich genutzt werden können und die Schwierigkeiten nicht allzu sehr stören,

  • ein für die eigene Person glückliches und zufriedenes Leben zu führen.

Unter Menschen mit Autismus gibt es sehr unterschiedliche Haltungen zu ihren Wahrnehmungsbesonderheiten. Einige empfinden ihren Autismus als sehr störend und wären gerne davon befreit, andere wiederum empfinden ihn als wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit.

Verändern sich Autismus-Spektrum-Störungen im Verlauf?

Autismus „wächst sich nicht aus“; er besteht lebenslang. Dennoch unterscheidet sich die Symptomatik im Erwachsenenalter in einigen Punkten positiv von derjenigen in Kindheit und Jugend. Einer der Gründe ist, dass Menschen im Autismus im Laufe der Zeit viele Strategien erlernen, um ihre Besonderheiten im Alltag zu kompensieren. Als Erwachsene stoßen sie vor allem dann an ihre Grenzen, wenn Flexibilität und Einfühlungsvermögen in komplexeren sozialen Situationen gefordert sind, z. B. am Arbeitsplatz oder wenn es um Freundschaften oder Paarbeziehungen geht.

In den meisten Fällen treten im Laufe des Lebens deutliche Verbesserungen ein – auch noch nach der Jugendzeit.

Früher wurden Autismus-Spektrum-Störungen als typische Störungen des Kindesalters angesehen. Heute ist man sich ihrer Bedeutung auch im Erwachsenenalter bewusst. Das zeigt sich etwa in der Namensänderung des größten deutschen Selbsthilfeverbandes, der 1970 unter dem Namen „Hilfe für das autistische Kind“ von betroffenen Eltern gegründet wurde. Seite 2005 heißt er „autismus Deutschland e.V. – Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus“, um auch betroffenen Jugendlichen und Erwachsenen gerecht zu werden.

Weiterführende Informationen

Hilfe bei Schlafproblemen

Allgemeine Informationen zu Autismus

Zuletzt aktualisiert am 27.03.2023