Formen von Autismus
Heute fassen Experten alle Formen von Autismus nach dem Vorbild der DSM-5 (= US-amerikanische Klassifikation psychischer Störungen) in der Regel in der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung (ASS) zusammen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet drei Formen von Autismus im Diagnose-Handbuch ICD-10 (= International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Sie alle zählen zu den „tiefgreifenden Entwicklungsstörungen“ (Kennziffer F84). Unterschieden werden:
• Frühkindlicher Autismus
• Asperger-Autismus
• Atypischer Autismus
Frühkindlicher Autismus
Ein Kind mit frühkindlichem Autismus zeigt bereits vor dem dritten Lebensjahr Auffälligkeiten
• im sozialen Umgang mit anderen Menschen – z. B. hält das Kind keinen Blickkontakt und entwickelt keine Beziehungen zu Gleichaltrigen.
• in der Kommunikation – z. B. ist die Sprachentwicklung verzögert oder bleibt aus; Rollenspiele fehlen.
• durch sich wiederholende, stereotypische Verhaltensweisen – z. B. umfassende Beschäftigung mit begrenzten und stereotypen Interessen oder auffällig starres Festhalten an bestimmten Gewohnheiten.
Mitunter zeigen sich diese Frühsymptome schon bis zum 18. Lebensmonat. Der frühkindliche Autismus wurde 1943 zum ersten Mal durch den austro-amerikanischen Kinder- und Jugendpsychiater Leo Kanner beschrieben.
Treten alle Symptome eines frühkindlichen Autismus zusammen mit normaler Intelligenz auf (= IQ von ≥ 70), sprechen Experten von einem hochfunktionalem Autismus. Im Unterschied zum Asperger-Syndrom ist die Sprachentwicklung verzögert, dafür sind die motorischen Fähigkeiten meist deutlich besser.
Asperger-Syndrom
Das Asperger-Syndrom gilt als leichte Form des Autismus. Es wurde erstmals 1944 durch den Wiener Kinderarzt Hans Asperger beschrieben und unterscheidet sich von den anderen Formen dadurch, dass Menschen mit Asperger zunächst meist unauffällig sind – die Entwicklung der sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten verläuft ohne Verzögerung. Häufig sind Asperger-Autisten jedoch motorisch ungeschickt und haben Besonderheiten in der sozialen Interaktion.
Menschen mit Asperger widmen sich oft ausgeprägten Spezialinteressen und sind auf bestimmte Themen fixiert, z. B. auf Dinosaurier oder Zugfahrpläne. Die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom besitzen eine normale Intelligenz, manche verfügen in Teilgebieten auch über eine besonders hohe Intelligenz.
Atypischer Autismus
Ein atypischer Autismus wird diagnostiziert, wenn zwar nicht alle Symptome vorliegen, aber keine andere Diagnose in Betracht kommt. So können Kinder zwar alle Symptome eines frühkindlichen Autismus zeigen, aber erst nach dem dritten Lebensjahr erkranken (= atypisches Erkrankungsalter) – oder die Kinder zeigen nur einige, aber nicht alle Auffälligkeiten, die typisch für einen frühkindlichen Autismus sind (= atypische Symptomatik).
Bei der Diagnostik ist wichtig zu wissen, dass nicht die einzelnen Symptome autismusspezifisch sind, da ähnliche Symptome auch bei anderen Störungen auftreten können. Spezifisch ist vielmehr das Zusammenspiel relevanter Faktoren.
Weitere mögliche Beeinträchtigungen und Störungen
Mitunter treten bei Kindern und Jugendlichen mit ASS noch weitere psychische Störungen auf, z. B. Depressionen, Angststörungen oder eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (= ADHS). Sie können dazu beitragen, die autismusspezifischen Symptome zu verstärken und sollten deshalb in jedem Fall therapeutisch behandelt werden.
Häufig leiden Autisten unter Schlafstörungen; sie können nicht gut einschlafen oder wachen immer wieder in der Nacht auf. Das hat ebenfalls Auswirkungen auf Gesundheit und Wahrnehmung. Schlafmangel ist neben hohem Fieber zudem ein möglicher Auslöser von Krampfleiden bzw. Epilepsie.
Gibt es „autistische Züge“?
Übrigens: Die gelegentlich verwendete Formulierung „autistische Züge“ hat allenfalls dann ihre Berechtigung, wenn bei bestehenden weiteren Formen der Behinderung (z. B. einer geistigen Behinderung) zusätzliche Beeinträchtigungen im Sinne einer autistischen Symptomatik verdeutlicht werden sollen.