Autismus Formen

Formen von Autismus – was gehört zum Spektrum?

Die Erkenntnisse über Autismus und seine Ausprägungen haben sich in den vergangenen Jahren stetig erweitert – so hat sich auch die medizinische Einteilung in verschiedene Formen von Autismus verändert. Statt einer klaren Abgrenzung, definiert man Autismus heute als ein Spektrum, in dem sich Menschen in fließenden Übergängen zwischen starken und schwachen Ausprägungen befinden. Leichte autistische Züge gehören genauso zu diesem Spektrum wie tiefgreifende Störungen. Aus Sicht der Medizin ist Autismus eine schwach oder stark ausgeprägte neurologische Entwicklungsstörung, die unter anderem mit sozialen und kommunikativen Einschränkungen einhergeht.

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Formen von Autismus: Medizinische Diagnostik im Wandel

Seit vielen Jahrzehnten gibt die Weltgesundheitsorganisation das amtliche Klassifikationssystem ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) für medizinische Diagnosen heraus. Für lange Zeit wurde ICD-10 verwendet, welches zwischen Frühkindlichem Autismus, Asperger-Syndrom und Atypischem Autismus unterscheidet.1

Anfang des Jahres 2022 trat ICD-11 in Kraft. In diesem System werden nun verschiedene Formen von Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) unterschieden: mit oder ohne Störung der Intelligenzentwicklung bzw. mit oder ohne Beeinträchtigung der funktionellen Sprache.2, 3 Da die Einführung von ICD-11 ein langwieriger Prozess ist, der mehrere Jahre in Anspruch nimmt, wird ICD-10 im deutschen Gesundheitswesen noch verwendet und die Einteilung im Folgenden erläutert.

Übersicht nach ICD-10: Formen von Autismus

Formen der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) im ICD-10 und ICD-11.

Frühkindlicher Autismus

Ein Kind mit Frühkindlichem Autismus zeigt bereits vor dem dritten Lebensjahr Auffälligkeiten:

  • im sozialen Umgang mit anderen Menschen – z. B. hält das Kind keinen Blickkontakt und entwickelt keine Beziehungen zu Gleichaltrigen.

  • in der Kommunikation – z. B. ist die Sprachentwicklung verzögert oder bleibt aus; Rollenspiele fehlen.

  • durch sich wiederholende, stereotypische Verhaltensweisen – z. B. umfassende Beschäftigung mit begrenzten und stereotypen Interessen oder auffällig starres Festhalten an bestimmten Gewohnheiten.

Mitunter zeigen sich diese Frühsymptome schon bis zum 18. Lebensmonat. Der Frühkindliche Autismus wurde 1943 zum ersten Mal durch den austro-amerikanischen Kinder- und Jugendpsychiater Leo Kanner beschrieben und heißt daher auch Kanner-Autismus oder Kanner-Syndrom.

Treten alle Symptome eines Frühkindlichen Autismus zusammen mit normaler Intelligenz auf (= IQ von ≥ 70), sprechen Experten von einem hochfunktionalem Autismus. Im Unterschied zum Asperger-Syndrom ist die Sprachentwicklung verzögert, dafür sind die motorischen Fähigkeiten meist deutlich besser.

ICD-10-Klassifikation

In der ICD-10-Klassifikation zählt Frühkindlicher Autismus zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (Kennziffer F84).

Asperger-Syndrom

Das Asperger-Syndrom wird auch als Asperger-Autismus bezeichnet und ist eine leichtere Form des Autismus. Es wurde erstmals 1944 durch den Wiener Kinderarzt Hans Asperger beschrieben und unterscheidet sich von den anderen Formen dadurch, dass Menschen mit Asperger zunächst meist unauffällig sind – die Entwicklung der sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten verläuft ohne Verzögerung. Häufig sind Asperger-Autisten jedoch motorisch ungeschickt und haben Besonderheiten in der sozialen Interaktion.

Menschen mit Asperger widmen sich oft ausgeprägten Spezialinteressen und sind auf bestimmte Themen fixiert, z. B. auf Dinosaurier oder Zugfahrpläne. Die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom besitzen eine normale Intelligenz, manche verfügen in Teilgebieten auch über eine besonders hohe Intelligenz.

ICD-10 und ICD-11-Klassifikation

Im ICD-10 wurde die Diagnose „Asperger-Autismus“ aufgeführt, jedoch findet sich diese im ICD-11 nicht mehr. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Diagnose verschwunden ist – vielmehr sind die Kriterien für die Diagnose nun Teil des Autismus-Spektrums. Personen, bei denen bisher Asperger diagnostiziert wurde, behalten ihre Diagnose weiterhin bei. Lediglich die ICD-Codierung hat sich geändert. In der ICD-11-Klassifikation wird das Asperger-Syndrom unter der Kennziffer 6A02.0 geführt.

Atypischer Autismus

Ein Atypischer Autismus wird diagnostiziert, wenn zwar nicht alle Symptome vorliegen, aber keine andere Diagnose in Betracht kommt. So können Kinder zwar alle Symptome eines Frühkindlichen Autismus zeigen, aber erst nach dem dritten Lebensjahr erkranken (= atypisches Erkrankungsalter) – oder die Kinder zeigen nur einige, aber nicht alle Auffälligkeiten, die typisch für einen frühkindlichen Autismus sind (= atypische Symptomatik).

Bei der Diagnostik ist wichtig zu wissen, dass nicht die einzelnen Symptome autismusspezifisch sind, da ähnliche Symptome auch bei anderen Störungen auftreten können. Spezifisch ist vielmehr das Zusammenspiel relevanter Faktoren.

ICD-10-Klassifikation

In der ICD-10-Klassifikation wird der atypische Autismus als tiefgreifende Entwicklungsstörung (Kennziffer F84.1) geführt.

Weitere mögliche Beeinträchtigungen und Störungen

Mitunter treten bei Kindern und Jugendlichen mit ASS noch weitere psychische Störungen auf, z. B. Depressionen, Angststörungen oder eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (= ADHS). Sie können dazu beitragen, die autismusspezifischen Symptome zu verstärken und sollten deshalb in jedem Fall therapeutisch behandelt werden.

Häufig leiden Autisten unter Schlafstörungen sie können nicht gut einschlafen oder wachen immer wieder in der Nacht auf. Das hat ebenfalls Auswirkungen auf Gesundheit und Wahrnehmung. Schlafmangel ist neben hohem Fieber zudem ein möglicher Auslöser von Krampfleiden bzw. Epilepsie.

  1. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: ICD-10-GM Version 2023
  2. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: 11. Revision der ICD der WHO (ICD-11)
  3. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: ICD-11 in Deutsch – Entwurfsfassung

Weiterführende Informationen

Weitere Infos zu Autismus-Spektrum-Störungen

Hilfe bei Schlafproblemen

Allgemeine Informationen zu Autismus

Zuletzt aktualisiert am 27.03.2023