Autismus – was ist das?

Autismus - soziale UmgebungNach aktueller Datenlage lebt etwa jeder Hundertste in Deutschland mit Autismus. Autismus ist keine Krankheit, sondern eine angeborene tiefgreifende Entwicklungsstörung. Der Begriff wurde erstmals 1911 von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler geprägt. Er stammt aus dem Griechischen (= autos) und kann mit selbstbezogen – im Sinne von zurückgezogen auf die eigene Gedankenwelt – übersetzt werden.

Eine Umarmung genießen oder ein Lächeln richtig zu interpretieren – diese alltäglichen Dinge sind für Autisten häufig sehr schwierig, die Bedeutung von Gesichtsausdrücken oder Gesten schwer verständlich. Gehirn und Wahrnehmung funktionieren bei Autisten ein wenig anders als bei nicht-autistischen Menschen. Diese Besonderheiten in der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung bleiben ein Leben lang bestehen.

Der richtige Begriff: Autismus-Spektrum-Störung

Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Autismus. Allen gemeinsam sind:

  • eine andere Art der Wahrnehmung und Auffälligkeiten im sozialen Umgang mit anderen Menschen,
  • Besonderheiten in der verbalen und nonverbalen Kommunikation sowie
  • sich wiederholende, mitunter stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten.

In der Diagnostik unterscheiden Mediziner und Psychologen (noch) zwischen verschiedenen Formen von Autismus:

  • Asperger-Syndrom
  • frühkindlicher Autismus und
  • atypischer Autismus.

Auch für Fachleute ist die Abgrenzung zwischen diesen Varianten nicht immer einfach, da zunehmend auch leichtere Formen diagnostiziert werden. Heute wird in der Regel der Begriff „Autismus-Spektrum-Störung“ (ASS) verwendet. Er verdeutlicht, dass die Auffälligkeiten sehr individuell und unterschiedlich stark sein können. Das Spektrum reicht von schweren Beeinträchtigungen, mitunter einhergehend mit zusätzlichen Behinderungen und lebenslanger Pflegebedürftigkeit, bis zu eher unauffälligen Formen wie dem Asperger-Syndrom. Kein Autist gleicht dem anderen – so wie sich auch jeder Nicht-Autist von seinen Mitmenschen unterscheidet.

Alltag mit einer anderen Wahrnehmung

Es gibt ein breites Spektrum typischer Merkmale, zu denen sowohl Schwierigkeiten in bestimmten Bereichen als auch besondere Fähigkeiten gehören. So können Menschen mit Autismus in der Regel den Gesichtsausdruck anderer Menschen und ihre Körpersprache nur schlecht „lesen“; alles Gesagte wird meist wörtlich verstanden. Das führt im Alltag häufig zu Problemen in der Kommunikation mit anderen Menschen. Auch können normale Berührungen für Autisten unangenehm sein, sodass eine freundliche Umarmung unmöglich ist.

Vielen Autisten fehlt zudem der „Schutzfilter“, der auf Festen, in der Schule oder bei einer Straßenbahnfahrt die lauten Geräusche und die vielen Sinneseindrücke ausblendet. In ihrem Gehirn verursachen die vielen unterschiedlichen Signale ein großes Chaos; Konzentration ist kaum mehr möglich. Andere haben Probleme mit Gerüchen oder bestimmten Lebensmitteln. Menschen mit Autismus leiden in solchen Situationen unter regelrechten Reizüberflutungen. Sie bekommen Angst, werden sauer oder ziehen sich zurück.

Besondere Fähigkeiten bieten hohes Potenzial

Die Besonderheiten in der Wahrnehmung werden bei normal intelligenten Menschen mit Autismus häufig von speziellen Fähigkeiten begleitet. Autisten haben meist ausgeprägte Sonderinteressen und spezielle Merkfähigkeiten, die – nicht nur im mathematischen Bereich – beruflich gewinnbringend eingesetzt werden können, wenn sie mit den jeweiligen Anforderungen übereinstimmen und die Rahmenbedingungen passen. Sie sind zudem häufig sehr aufmerksam, pünktlich und aufgrund ihrer Wahrnehmungsbesonderheiten stets ehrlich.

Innerhalb der Autismus-Spektrum-Störung gibt es ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Auffälligkeiten. Während einige Menschen im Autismus-Spektrum nur leicht betroffen zu sein scheinen, besteht bei anderen eine schwere Mehrfachbeeinträchtigung. Sie brauchen ihr Leben lang Unterstützung. Eine frühzeitige Förderung kann in vielen Fällen zu deutlichen Verbesserungen führen – auch noch nach der Jugendzeit.